Text als Sicherungskopie von http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Eberswalde/id/231925
Von Viola PeterssonJoachimsthal (MOZ) Großeinsatz am Werbellinsee:
Eine Woche lang waren gut 20 Taucher in Aktion. Der Eberswalder Verein
„Kaffenkahn“ ging einem Stück Heimatgeschichte auf den Grund: dem Schicksal der
Lastensegler. Bis Sonntagabend untersuchten die Unterwassersportler und
-archäologen sechs Wracks.
Wracks haben von jeher eine magische
Anziehungskraft. Auch am Werbellinsee locken die vor etwa 150 Jahren gesunkenen
Kähne jährlich dutzende Hobbytaucher an. Taucher, die hoffen, in den Tiefen des
Sees auf Schätze zu stoßen und so das ganz große Abenteurer-Glück zu finden. Und
die dabei mitunter ihr Leben riskieren. Matthias Schmidt und Kai Dietterle vom
Verein „Kaffenkahn“ können davon ein Lied singen. Dieterle hat schon so manchen
Taucher, der sich selbst überschätzte und bei der Schatzsuche in Panik geriet,
in letzter Sekunde gerettet. „Für einen solchen Tauchgang braucht man
langjährige Erfahrungen“, sagt der Britzer Matthias Schmidt, stellvertretender
Vorsitzender des Kaffenkahn-Vereins. Denn das Tauchen im Tiefwasserbereich
stelle besondere Anforderungen, nicht nur an die Physis. „Man darf nicht
verkennen: Dort unten ist es sehr kalt, jetzt sind es um die sechs Grad, und es
ist dunkel.“
Und: „Schätze sind dort auch nicht zu erwarten“, sagt Schmidt,
Cheforganisator des Camps am Südufer, derweil die etwa 30 Teilnehmer nach
gemeinsamem Frühstück zum ersten Tauchgang an diesem Tag rüsten. Der
Kaffenkahn-Verein hat vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege „das
Mandat erhalten“, die Wracks im Werbellinsee zu vermessen, zu dokumentieren und
zu schützen. „Die Schiffer waren arme Leute.“ Der Wert dieser Untersuchungen sei
vielmehr archäologischer Natur. Die sogenannten Kaffenkähne seien „Zeugnisse der
beginnenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert.“ Zu jener Zeit gab es, so
Schmidt, am Werbellinsee u. a. zwei Ziegeleien, zwei Kalkbrenn-
öfen sowie
einige Steingruben. Zum Transport von Baumaterial bzw. der Erzeugnisse wurden
besagte Kähne eingesetzt.
Aufgrund des relativ hohen Wellengangs auf dem
Werbellinsee und auch infolge Überladung kenterten einige Kähne. Je nach Fracht
werden die gesunkenen Exemplare heute beispielsweise als Ziegelwrack oder
Kalkwrack bezeichnet. „Der Werbellinsee gilt zumindest in Brandenburg als
Gewässer mit der höchsten Wrack-Dichte“, so Schmidt.
Leider haben die Wracks
in den vergangenen Jahren aber schon erheblichen Schaden genommen. „Zum einen
durch das Fehlverhalten oder die Unwissenheit der Hobbytaucher, zum anderen weil
die Buchten, in denen die Wracks liegen, auch gern als Ankerplätze genutzt
werden.“ Umso wichtiger sei es, die Wracks zu schützen. Genau das habe sich der
2007 gegründete Kaffenkahn-Verein auf die Fahnen geschrieben. In der Bewahrung
dieser Kulturgüter sieht der Verein auch einen Beitrag zur Entwicklung des
Geoparks.
„Diese Aktion jetzt ist unsere erste große“, sagt Schmidt. Wobei er
gleich hinzufügt: „Allein wären wir mit dem Auftrag überfordert.“ Der Verein
kooperiere mit dem Verein für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg sowie
mit der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie.
Letztere nutzt den Einsatz im Barnim zugleich für einen
Fortgeschrittenen-Lehrgang. Kursleiter Gerd Knepel (39) aus Frankfurt (Main)
schwärmt: „Dies ist ein sehr schönes Revier.“ Daheim gebe es zumeist nur
Kiesgruben – „kein Vergleich zu einem natürlichen See“. Und dort dürfe man
größtenteils auch nicht tauchen. Er sei auch schon am Bodensee tätig gewesen.
„Ungewöhnlich hier ist in der Tat die Wrack-Dichte.“ Allein an jener Stelle, die
bei Tauchern als Kap Horn bekannt ist, liegen fünf Wracks, darunter das
Kalkwrack mit Kajüte, das am besten erhalten ist.
Während Kai Dietterle und
Georg Boeck zur Plattform mit der Absauganlage hinausfahren, machen sich Adrian
Feichtinger und Peter Mayer mit Messgitter, Bandmaß, Lot und Winkel auf den Weg
zum Ziegelwrack. Das Duo aus Hessen hat – ebenso wie alle anderen Teilnehmer –
extra Urlaub genommen. „Auch wenn es sicher irgendwo ein Stück Arbeit ist, aber
das ist mein Hobby. Das macht Spaß und dabei erhole ich mich“, so Peter Mayer.
„Von Beruf bin ich Biologe, ich sitze meistenteils am Computer.“ Ihre ganze
Familie dabei hat Daniela Greinert aus Velten. Die archäologische
Forschungstaucherin und Grafikerin bringt die Ergebnisse zu Papier, zeichnet die
Wracks nach der Vermessung maßstabsgerecht. „Das ist schon eine spannende
Geschichte“, so die junge Frau. Und da das Budget des Landesamtes begrenzt sei,
müsse man sich halt ehrenamtlich engagieren. „Das ist unsere Berufung.“
Neben
unzähligen Daten haben die Taucher per Absaugglocke u. a. Schlackereste und
einen Messing-Knopf gefunden. „Der ist eindeutig einem Schiffer zuzuordnen“,
kommentiert Schmidt den unspektakulär klingenden Fund und freut sich. Ebenso wie
über die Ziegel, die den Prägestempel der königlich-preußischen Fabrik tragen.
Dienstag, 27. Mai 2008 (07:16)