Werbellinsee - Tourismus // Aktivitäten - Tauchen 


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In die Geschichte abgetaucht

Von Viola PeterssonJoachimsthal (MOZ) Großeinsatz am Werbellinsee: Eine Woche lang waren gut 20 Taucher in Aktion. Der Eberswalder Verein „Kaffenkahn“ ging einem Stück Heimatgeschichte auf den Grund: dem Schicksal der Lastensegler. Bis Sonntagabend untersuchten die Unterwassersportler und -archäologen sechs Wracks.

Wracks haben von jeher eine magische Anziehungskraft. Auch am Werbellinsee locken die vor etwa 150 Jahren gesunkenen Kähne jährlich dutzende Hobbytaucher an. Taucher, die hoffen, in den Tiefen des Sees auf Schätze zu stoßen und so das ganz große Abenteurer-Glück zu finden. Und die dabei mitunter ihr Leben riskieren. Matthias Schmidt und Kai Dietterle vom Verein „Kaffenkahn“ können davon ein Lied singen. Dieterle hat schon so manchen Taucher, der sich selbst überschätzte und bei der Schatzsuche in Panik geriet, in letzter Sekunde gerettet. „Für einen solchen Tauchgang braucht man langjährige Erfahrungen“, sagt der Britzer Matthias Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Kaffenkahn-Vereins. Denn das Tauchen im Tiefwasserbereich stelle besondere Anforderungen, nicht nur an die Physis. „Man darf nicht verkennen: Dort unten ist es sehr kalt, jetzt sind es um die sechs Grad, und es ist dunkel.“
Und: „Schätze sind dort auch nicht zu erwarten“, sagt Schmidt, Cheforganisator des Camps am Südufer, derweil die etwa 30 Teilnehmer nach gemeinsamem Frühstück zum ersten Tauchgang an diesem Tag rüsten. Der Kaffenkahn-Verein hat vom brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege „das Mandat erhalten“, die Wracks im Werbellinsee zu vermessen, zu dokumentieren und zu schützen. „Die Schiffer waren arme Leute.“ Der Wert dieser Untersuchungen sei vielmehr archäologischer Natur. Die sogenannten Kaffenkähne seien „Zeugnisse der beginnenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert.“ Zu jener Zeit gab es, so Schmidt, am Werbellinsee u. a. zwei Ziegeleien, zwei Kalkbrenn-
öfen sowie einige Steingruben. Zum Transport von Baumaterial bzw. der Erzeugnisse wurden besagte Kähne eingesetzt.
Aufgrund des relativ hohen Wellengangs auf dem Werbellinsee und auch infolge Überladung kenterten einige Kähne. Je nach Fracht werden die gesunkenen Exemplare heute beispielsweise als Ziegelwrack oder Kalkwrack bezeichnet. „Der Werbellinsee gilt zumindest in Brandenburg als Gewässer mit der höchsten Wrack-Dichte“, so Schmidt.
Leider haben die Wracks in den vergangenen Jahren aber schon erheblichen Schaden genommen. „Zum einen durch das Fehlverhalten oder die Unwissenheit der Hobbytaucher, zum anderen weil die Buchten, in denen die Wracks liegen, auch gern als Ankerplätze genutzt werden.“ Umso wichtiger sei es, die Wracks zu schützen. Genau das habe sich der 2007 gegründete Kaffenkahn-Verein auf die Fahnen geschrieben. In der Bewahrung dieser Kulturgüter sieht der Verein auch einen Beitrag zur Entwicklung des Geoparks.
„Diese Aktion jetzt ist unsere erste große“, sagt Schmidt. Wobei er gleich hinzufügt: „Allein wären wir mit dem Auftrag überfordert.“ Der Verein kooperiere mit dem Verein für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg sowie mit der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie. Letztere nutzt den Einsatz im Barnim zugleich für einen Fortgeschrittenen-Lehrgang. Kursleiter Gerd Knepel (39) aus Frankfurt (Main) schwärmt: „Dies ist ein sehr schönes Revier.“ Daheim gebe es zumeist nur Kiesgruben – „kein Vergleich zu einem natürlichen See“. Und dort dürfe man größtenteils auch nicht tauchen. Er sei auch schon am Bodensee tätig gewesen. „Ungewöhnlich hier ist in der Tat die Wrack-Dichte.“ Allein an jener Stelle, die bei Tauchern als Kap Horn bekannt ist, liegen fünf Wracks, darunter das Kalkwrack mit Kajüte, das am besten erhalten ist.
Während Kai Dietterle und Georg Boeck zur Plattform mit der Absauganlage hinausfahren, machen sich Adrian Feichtinger und Peter Mayer mit Messgitter, Bandmaß, Lot und Winkel auf den Weg zum Ziegelwrack. Das Duo aus Hessen hat – ebenso wie alle anderen Teilnehmer – extra Urlaub genommen. „Auch wenn es sicher irgendwo ein Stück Arbeit ist, aber das ist mein Hobby. Das macht Spaß und dabei erhole ich mich“, so Peter Mayer. „Von Beruf bin ich Biologe, ich sitze meistenteils am Computer.“ Ihre ganze Familie dabei hat Daniela Greinert aus Velten. Die archäologische Forschungstaucherin und Grafikerin bringt die Ergebnisse zu Papier, zeichnet die Wracks nach der Vermessung maßstabsgerecht. „Das ist schon eine spannende Geschichte“, so die junge Frau. Und da das Budget des Landesamtes begrenzt sei, müsse man sich halt ehrenamtlich engagieren. „Das ist unsere Berufung.“
Neben unzähligen Daten haben die Taucher per Absaugglocke u. a. Schlackereste und einen Messing-Knopf gefunden. „Der ist eindeutig einem Schiffer zuzuordnen“, kommentiert Schmidt den unspektakulär klingenden Fund und freut sich. Ebenso wie über die Ziegel, die den Prägestempel der königlich-preußischen Fabrik tragen.

Dienstag, 27. Mai 2008 (07:16)